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Nachruf auf
Max Huwyler

Adrian Hürlimanns persönliche Worte an die Familie des Schriftstellers Max Huwyler (1931–2023).
Eine Hommage an einen wortstarken, geliebten Zeitgenossen – eine tragende Säule im Kulturleben der Innerschweiz.

Von Adrian Hürlimann

Liebe Familie Huwyler,

 

als wir Max im November im Burgbachkeller begrüssten und feierten, genauer: sein letztes Gedichtbändchen vorstellten, fühlten wir den Appell von unser aller Dasein, dass es vielleicht das letzte Mal sein würde, da er das jüngste seiner Werke vorstellte, vorstellen liess, die Zeilen sprachen an seiner Stelle, auch ich las einige der treffenden, immer mit Witz befreiendes Gelächter auslösenden Verse, darunter auch die umwerfende poetische Skizze der eingeschmolzenen Titangelenke, als deren Resultat – als Schiffsschraube folglich – er dereinst durch die Weltmeere zirbeln würde.

 

Von diesem Zirbeln war er bereits vor rund vierzig Jahren erfüllt, als er mir seine Zweifel kundtat, ob er in seinem fortgeschrittenen Alter noch als Schreibender auftreten könne. Damals hatte er längst seinen Ruf als leuchtender Stern am Himmel der Mundart etabliert. Von seiner «Sprache der Nähe» hatte sein Kollege im Geiste Jürg Schubiger gesprochen, von «wohltuender Nüchternheit», gerichtet gegen Engherzigkeit und -stirnigkeit, leicht, aber niemals oberflächlich oder pseudotiefsinnig gehalten. In Zitaten gab er oft die Sprüche der Zeitgenossen wieder, in Kurzprosa und Gedichten, zunehmend auch in Hochdeutsch verfasst. Die Kritik an den zugerischen Verhältnissen hinterliess nachhaltige Spuren. Sie fiel umso ätzender aus, als die Kürze der Zeilen mehrfach auf die Pointe zielte und ins Schwarze traf. «De Bode isch Trumpf», so kanzelte er den Zuger Jass ab, spruchreif, und wurde alsbald von der Politik zitiert.

 

Max hatte stets mehrere Eisen im Feuer. Er blickte mitunter auf seine Theaterexperimente mit seinen Schülern in Opfikon zurück, unternommen in den dortigen 24 Jahren, und sah, dass es gut war. Das genügte ihm allerdings nicht. Er übersetzte Stücke und schreckte dabei vor Grössen wie Elias Canetti nicht zurück, den er seine Arbeit am Dialekt absegnen liess. Hörspiele gab es auch. Und seine weiterhin zentrale literarische Produktion und Publikation nahm von Band zu Band erst richtig Fahrt auf. Was er gleichzeitig an Wagemut und Vermittlung leistete, wurde mir erst so richtig klar, als er mich in die Literarische aufnahm, wo wir unverdrossen und kühn die allerbesten Autoren und Autorinnen der Deutschschweiz nach Zug einluden und die hiesige Szene gewaltig in Schwung brachten. 22 Jahre war er dabei, 13 Jahre als Präsident. Dazu lud er uns immer wieder ein an die Langensandstrasse in Hünenberg, wo er und Monika uns liebevoll verköstigten und das Vereinsleben und die notwendigen Sitzungen in ungewohnt erfreuliche Bahnen lenkten. Das Niveau unserer Geselligkeit war damit ein für allemal gesetzt.

 

Nach dem Umzug in die Grafenau, der ihm 24 Jahre lang vorgeschwebt hatte, feierte er, nun urban und studiomässig eingerichtet und mit Absicht am Bahnhof domiziliert, die Rückkehr ins Städtchen der Herkunft und überraschte uns fortan mit immer neuen und mutigen Expeditionen in ungewohnte Formate und Domänen. Plötzlich war er Kinderbuchautor, an die pädagogische Herkunft erinnert, an sein erfolgreiches Einführungswerk in die deutsche Sprache, und er suchte und hievte dazu die tollsten Illustratorinnen an Bord. Er ging für einmal vom Bild aus und konstruierte die Zeilen wie erklärende Bild-Untertitel hinein, als Wortspiele und Handlungsanweisungen; ein neuer Morgenstern ging auf, und sogleich schwebte ihm ein Kinderbuchfestival für die Stadt vor, das alsbald ganz anders, verwässert und für ihn enttäuschend realisiert wurde. Unverdrossen wartete er mit Vorstössen in die Welt der Kunst auf, liess den ISSV-Kollegen Niklaus Lenherr weisse Fahnen in die Landschaft stellen und mit seinen nochmals komprimierten Versen bedruckt im Winde wehen.

 

Überhaupt wirkte er im Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein aktiv und inspirierend mit und trug an den Lesungen und Tagungen mit erfreulich unterhaltenden Zwischenspielen zur guten Laune bei. Er unterhielt die wichtigen Kontakte zu seinen schreibenden Vorgängern und Kollegen hierzulande, die uns allen im Verein nützlich waren. Unter der Ägide von Andreas Iten, später von Daniel Annen, war er von den Festivals Höhenflug und den Rigi-Literaturtagen nicht mehr wegzudenken. In bester Erinnerung sind mir die immer wieder in Wort und Ton gewagten Bühnenarbeiten mit Hans Hassler, der die Texte mit seinem Akkordeon kongenial in unerhörte Höhen entschweben liess.

 

An der vorletzten Lesung in der Literarischen lobte er mich mit der Feststellung, ich wüsste ja besser Bescheid über seine Inhalte und Schreiberfahrungen als er selber – dabei hatte ich nur die Erklärungen wiedergegeben, die er mir im Vorgespräch zuhause anvertraut hatte. Die Sympathie war offenbar gegenseitig.

 

Max war eine tragende Säule des Zuger Kulturlebens. Sein Wirken und Schaffen hinterlässt seine Spuren in der ganzen Innerschweiz.

 

Wir, die ihn gekannt und erlebt haben, sind ihm für immer zu grossem Dank verpflichtet!

 

Möge er zufrieden und entspannt als edelmetallige Schiffsschraube durch die Ozeane zirbeln!

 

Auch im Namen der Literarischen Gesellschaft Zug und des Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellervereins ISSV

 

Adrian Hürlimann

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